Anmerkung zu BFH v. 17.07.2024, XI R 34/22 (XI R 38/19)

Keine rückwirkende Korrektur von Rechnungen bei fehlendem Hinweis auf ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft

Praxisproblem
Bei dem Revisionsverfahren XI R 34/22 ging es um die Frage, ob fehlerhaft behandelte innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte durch berichtigte Rechnungen mit Rückwirkung umsatzsteuerrechtlich geheilt werden können.

Sachverhalt
Eine deutsche GmbH kaufte im Streitjahr 2013 Waren von einer italienischen Firma IT. Diese Waren wurden durch die GmbH zum Teil an eine slowakische Firma SK weiterveräußert. Einige Waren wurden unmittelbar von IT an SK ausgeliefert. (s. Grafik I)

Einige Waren wurden von IT aus zu einem Lager in Tschechien ausgeliefert. Alle drei Unternehmen traten unter der USt-IdNr. ihres Ansässigkeitsstaates auf. Transportverantwortlich war jeweils die GmbH. (s. Grafik II)

IT sah ihre Lieferungen an die DE GmbH als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an. Die DE GmbH wendete auf die Lieferungen an SK die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte an. Die DE GmbH sei erster Abnehmer. Der letzte Abnehmer SK schulde die Umsatzsteuer. Dies habe zur Folge, dass sie, die DE GmbH, in Deutschland keine Umsatzsteuer schulde.

Anlässlich einer Außenprüfung bei der DE GmbH ging der Betriebsprüfer davon aus, dass hinsichtlich der Lieferungen an SK die Voraussetzungen des § 25b UStG mangels ordnungsgemäßer Rechnungen der DE GmbH an die SK nicht vorlägen. In den Rechnungen sei zum Teil die USt-IdNr. der SK als letzter Abnehmer nicht enthalten gewesen, zudem sei nicht auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und den Übergang der Steuerschuld auf SK hingewiesen worden. Hinsichtlich der Lieferungen nach Tschechien seien die Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts im Sinne von § 25b deUStG nicht gegeben, da SK als letzter Abnehmer unter slowakischen USt-IdNr. und damit nicht unter der USt-IdNr. des Landes aufgetreten sei, in dem die Versendung geendet habe, nämlich Tschechien. Der Prüfer nahm an, dass die Warenbewegung der Lieferung von IT an die DE GmbH zuzuordnen sei, weil die DE GmbH zwar den Transport der Ware beauftragt, nicht jedoch nachgewiesen habe, dass sie die Lieferung nicht als Abnehmer, sondern als Lieferer versendet habe, vgl. § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 deUStG a.F. Demnach handele es sich, wie IT zutreffend angenommen habe, bei der Lieferung der IT an die DE GmbH um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Die DE GmbH habe in der Slowakei bzw. in Tschechien, wo die jeweilige Versendung der Waren geendet habe, einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht. Daneben habe die DE GmbH, da sie unter ihrer deutschen USt-IdNr. aufgetreten sei, nach § 3d Satz 2 deUStG auch in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht. Die Besteuerungsfiktion des § 17 Abs. 2 Nr. 4 deUStG komme nicht zur Anwendung, da die GmbH den Nachweis nach § 3d Satz 2 deUStG nicht geführt habe. Die für die innergemeinschaftlichen Erwerbe entstandene deutsche Umsatzsteuer sei auch nicht als Vorsteuer abziehbar. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Betriebsprüfers.

Gegen den USt-Änderungsbescheid erhob die DE GmbH Einspruch. Hinsichtlich der Warenlieferungen in die Slowakei wurden die Rechnungen an die SK im September 2015 berichtigt. Die DE GmbH nahm an, damit lägen nunmehr die formellen Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts im Sinne von § 25b deUStG vor. Der Rechnungsberichtigung komme Rückwirkung zu. Hinsichtlich der Lieferungen nach Tschechien trug die DE GmbH vor, das Lager in Tschechien gehöre nicht der SK. SK als Abnehmer der Waren in Tschechien habe die Waren ihrerseits an das Unternehmen B mit Sitz in Tschechien weitergeliefert. Das Lager sei eine kurzfristig von B organisierte Unterstellmöglichkeit gewesen, von wo aus B die Waren umgehend zu ihren jeweiligen Abnehmern weitertransportiert habe. Es liege zwischen allen vier beteiligten Unternehmen ein Reihengeschäft vor. Die Lieferungen zwischen der DE GmbH, der SK und der B seien als innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft anzusehen. Da die DE GmbH die Versendung veranlasst habe und als Lieferer aufgetreten sei, sei die Warenbewegung der Lieferung der DE GmbH an SK zuzuordnen, die in Italien als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sei.

Das FG Rheinland-Pfalz gab der Klage teilweise statt und wies sie im Übrigen ab, FG RP v. 28.11.2019, 6 K 1767/17, EFG 2020, 319. Das FG war der Ansicht, dass die Klage begründet sei, soweit das Finanzamt im Zusammenhang mit den Lieferungen in die Slowakei den innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß § 3d Satz 2 deUStG im Streitjahr nicht als besteuert angesehen habe. Der Rechnungsberichtigung komme Rückwirkung zu. Hinsichtlich der Lieferungen nach Tschechien sei die Klage unbegründet. Das Finanzamt sei insoweit zutreffend von einem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 5 deUStG ausgegangen, der nach § 3d Satz 2 deUStG im Inland der Umsatzbesteuerung unterliege und nicht als besteuert gelte.

In der Revision gegen das FG-Urteil trug das Finanzamt vor, das FG gehe zu Unrecht davon aus, dass die ordnungsgemäße Rechnung mit Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft lediglich eine formelle Voraussetzung sei und dass der nachträglichen Berichtigung einer unvollständigen Rechnung eine auf den Zeitpunkt der Lieferung rückwirkende Heilung zukommen könne. Eine Rechnung ohne den Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers führe dazu, dass der Leistungsempfänger nicht zum Steuerschuldner bestimmt worden sei und damit die materiellen Voraussetzungen des Art. 42 Buchst. a MwStSystRL nicht erfülle. Die Rechnung habe daher keine reine Kontroll- bzw. Nachweisfunktion. Aus diesem Grunde sei auch das EuGH-Urteil v. 15.9.2016, C-518/14, Senatex, nicht einschlägig. Die Rechtsauffassung des Finanzamtes sei durch das EuGH-Urteil v. 8.12.2022, C-247/21, Luxury Trust Automobil, bestätigt worden.

Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Zum Reihengeschäft
Sowohl der Ort der Lieferungen der DE GmbH an die SK als auch der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs der DE GmbH lag nach dem BFH-Urteil in der Slowakei beziehungsweise in Tschechien. Es lag ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft vor, bei dem die Warenbewegung der Lieferung der IT an die DE GmbH zuzurechnen war. Wie das FG festgestellt hatte, hatte die DE GmbH der SK nach den für das Reihengeschäft bis 31.12.2019 geltenden Grundsätzen in keinem Fall bereits vor der Warenbewegung die Verfügungsmacht an den Waren übertragen. Daran war der BFH gebunden. Da die Versendung der ersten Lieferung (IT an DE GmbH) zuzuordnen war, lag der Ort der (zweiten) Lieferungen der DE GmbH an SK unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 deUStG in der Slowakei bzw. Tschechien. Der Ort der innergemeinschaftlichen Erwerbe der GmbH lag ebenfalls dort. Ein Besteuerungsrecht Deutschlands ergibt sich daraus nicht. Vielmehr hätte die DE GmbH in der Slowakei beziehungsweise Tschechien innergemeinschaftliche Erwerbe (Art. 40 MwStSystRL) erklären müssen und dort die USt als Vorsteuer abziehen können (Art. 168 Buchst. c MwStSystRL) sowie ihre steuerpflichtigen Ausgangsumsätze an SK versteuern müssen. Der innergemeinschaftliche Erwerb der GmbH war aber daneben auch nach § 3d Satz 2 deUStG in Deutschland bewirkt, weil die DE GmbH als Abnehmer gegenüber IT die deutsche USt-IdNr. verwendet hatte. Das Besteuerungsrecht Deutschlands war weder nach § 3d Satz 2 Halbsatz 2 deUStG weggefallen noch kam die Besteuerungsfiktion des § 25b Abs. 3 deUStG zur Anwendung. Die Voraussetzungen für ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft lagen im Streitfall (teilweise noch) nicht vor.

Zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft
Die Ortsregelung des § 3d Satz 2 Halbsatz 1 deUStG gilt nach dem BFH-Urteil so lange, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den in § 3d Satz 1 deUStG bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist oder nach den Bestimmungen über innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte gemäß § 25b Abs. 3 deUStG als besteuert gilt, sofern der erste Abnehmer (hier die DE GmbH) nach § 18a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 deUStG seiner Erklärungspflicht hierüber nachgekommen ist. Die Regelung über innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte dient nach dem BFH-Urteil nicht rechtssystematischen, sondern rein praktischen Überlegungen. Sie soll zum einen sicherstellen, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb besteuert wird (entweder im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat), und zum anderen verhindern, dass dieser Erwerb doppelt besteuert wird. Zur weiteren Begründung verweist der BFH auf sein nahezu gleichlautendes Urteil v. 17.07.2024, XI R 35/22 (XI R 14/20). 

Eine tatsächliche Besteuerung in der Slowakei oder in Tschechien hatte die DE GmbH nach dem BFH-Urteil nicht nachgewiesen. Die Besteuerungsfiktion des § 25b Abs. 3 deUStG greift (in Bezug auf die Slowakei: noch) nicht ein, da die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 und 2 deUStG im Streitjahr noch nicht vorlagen. Dies ergibt sich daraus, dass der erste Abnehmer (hier die DE GmbH) dem letzten Abnehmer (SK) keine Rechnung erteilt hatte, in der nach § 14a Abs. 7 Satz 1 und 2 deUStG auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des SK hingewiesen wurde. Den von der DE GmbH berichtigten Rechnungen kommt keine Rückwirkung zu. 

Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 deUStDV kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a deUStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Die Berichtigung einer Rechnung kann nach der bisherigen EuGH- und BFH-Rechtsprechung zwar unter bestimmten Bedingungen Rückwirkung entfalten. Der BFH verweist darauf, dass auch der EuGH zu innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften klargestellt, habe dass nach dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwersteuer die Nichterfüllung der formellen Anforderungen des Art. 42 Buchst. b MwStSystRL durch einen Steuerpflichtigen (Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung) nicht dazu führt, dass die Anwendung des Art. 42 MwStSystRL in Frage gestellt wird, wenn der Erwerber eine ordnungsgemäß ausgefüllte Zusammenfassende Meldung nachträglich abgibt, vgl. EuGH v. 19.4.2018, C-580/16, Firma Hans Bühler. 

Der BFH verweist sodann jedoch auf das EuGH-Urteil v. 8.12.2022, C-247/21, Luxury Trust Automobil. Dort habe der EuGH entschieden, dass der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden ist, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" enthält und das Weglassen der nach dieser Bestimmung erforderlichen Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" auf einer Rechnung nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden kann, dass die Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht. 

Dies gilt nach Auffassung des BFH nicht nur in Fällen, in denen ein Umsatzsteuerbetrug gegeben ist, sondern generell für die Fälle des Dreiecksgeschäfts; denn der Nachweis, dass der Empfänger der Lieferung gemäß Art. 197 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmt worden ist, sei nach Auffassung des EuGH eine materielle Voraussetzung für die Besteuerungsfiktion. Außerdem könne man den vom EuGH in Bezug genommenen Ausführungen der Generalanwältin Kokott in Rz 57 und 61 der Schlussanträge vom 14.7.2022, C-247/21, entnehmen, dass das nachträgliche Erfüllen einer notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur, sondern das erstmalige Ausstellen der vorausgesetzten Rechnung ist und erst mit einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugeht, die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc ausgelöst werden.

Offen gelassen mangels Entscheidungserheblichkeit hat der BFH die Frage, ob die Regelungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts auf Vorgänge mit vier Beteiligten (IT, die DE GmbH, SK und B CZ) überhaupt anwendbar sind. Selbst wenn § 25b Abs. 3 deUStG auch insoweit gälte, lägen seine Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Geht man davon aus, dass das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft (am Ende des Reihengeschäfts mit vier Beteiligten) aus der DE GmbH, der SK (als erster Abnehmer) und aus B CZ (letzter Abnehmer) bestehen soll, wäre die Lieferung der DE GmbH an SK die erste Lieferung und SK erster Abnehmer. § 25b Abs. 3 deUStG gälte in Bezug auf den (dem Dreiecksgeschäft dann vorausgegangenen) innergemeinschaftlichen Erwerb, der mit der Lieferung der IT an die DE GmbH einhergeht, schon deshalb nicht, weil die Lieferung der IT an die DE GmbH nicht Teil des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts (und die DE GmbH dann nicht erster Abnehmer) wäre. Geht man hingegen davon aus, dass das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft (am Anfang des Reihengeschäfts mit vier Beteiligten) aus der IT, der DE GmbH (als erster Abnehmer) und aus SK (als letzter Abnehmer) bestehen soll, hat, wie das FG zu Recht festgestellt habe, nicht gemäß § 25b Abs. 2 Nr. 4 deUStG SK als letzter Abnehmer die USt-IdNr. des Mitgliedstaates, in dem die Beförderung oder Versendung endet (hier Tschechien), verwendet. S hatte vielmehr die USt-IdNr. der Slowakei verwendet.

Praxishinweis 
Der BFH hat das EuGH-Urteil C-247/21, Luxury Trust Automobil, so interpretiert, dass der Berichtigung fehlerhafter Rechnungen bei innergemeinschaftlichen Dreicksgeschäften keinerlei Rückwirkung zukommt, sondern die Berichtigungen immer erst nunc wirken. 

Der EuGH hat der Rechnungsstellung im innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft bzw. der Angabe zur Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers materiell-rechtliche Bedeutung beigemessen. Speziell im Rahmen der für innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung kann der Zwischenerwerber eines Dreiecksgeschäfts die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ nicht durch einen anderen Hinweis ersetzen, während Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL diese Angabe ausdrücklich vorschreibt. Der Sinn und Zweck der nach Art. 226 MwStSystRL notwendigen Rechnungsangaben besteht darin, den Rechnungsadressaten über die rechtliche Bewertung des Umsatzes des Rechnungsausstellers zu informieren. Dieser Zweck greift umso mehr, wenn der Rechnungsaussteller der Ansicht ist, dass ausnahmsweise nicht er, sondern der Empfänger der Lieferung die Mehrwertsteuer schuldet. Da die in den Art. 42 und 141 MwStSystRL vorgesehene Ausnahmeregelung für das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft fakultativ ist (dies ist wohl entscheidend, wenn in Art. 42 MwStSystRL bestimmte Pflichten des ersten Erwerbers normiert sind, deren Erfüllung zu den Rechtsfolgen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts führen), ermöglicht es die nach Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL erforderliche Formalität, sicherzustellen, dass der letzte Abnehmer in dem Geschäft Kenntnis von seinen steuerlichen Pflichten hat. Denn für die Regelung des Übergangs der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ist es nach dem EuGH-Urteil gerade kennzeichnend, dass zwischen dem Lieferer und dem steuerpflichtigen Empfänger einer Lieferung keine Mehrwertsteuerzahlung erfolgt, weil Letzterer diese Steuer für diese Lieferung zu entrichten hat. Daher kann, so der EuGH, insoweit keine Unsicherheit bestehen.

Folgerichtig hat der EuGH in dem zugrunde liegenden Sachverhalt die Möglichkeit einer nachträglichen Rechnungsberichtigungverneint. Von einer Berichtigung der Rechnung kann nicht die Rede sein, wenn eine Voraussetzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die nach Art. 226 Nr. 11a MwStSystRL erforderliche Angabe fehlt. Das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung ist keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann.

Anders als beim Recht auf Vorsteuerabzug kommt der Rechnungstellung im innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft also eine materiell-rechtliche und nicht nur eine bloße formelle Bedeutung zu. Dies gilt jedenfalls für die Angabe der Steuerschuldnerschaft bezüglich des letzten Abnehmers. Ob dies auch für die Angabe über das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts gilt, wie § 14a Abs. 7 deUStG dies fordert, wobei Art. 226 MwStSystRL keine solche Angabe regelt, hat der EuGH nicht entschieden.

Das Vorlagegericht hatte gefragt, ob eine Bestimmung des Empfängers der Lieferung als Steuerschuldner auch dann vorliegt, wenn in der Rechnung, in der kein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen wird, (lediglich) angegeben wird: ,,Steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft"? Der EuGH hat sich diesbezüglich nicht explizit geäußert und die Frage so interpretiert, dass das Vorlagegericht wissen wolle, ob Art. 42 Buchst. a i.V.m. Art. 197 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt wird, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthält. Somit dürfte jedenfalls die alleinige Angabe über das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht ausreichend sein.

Eindeutig ist somit vom EuGH entschieden – und dem folgt der BFH vorliegend uneingeschränkt -, dass eine mangelhafte Rechnung nicht dahingehend, d.h. mit Rückwirkung, berichtigt werden kann, dass ein missglücktes Dreiecksgeschäft rückwirkend geheilt wird.

Fraglich ist aber, was eine ex-nunc-Berichtigungsmöglichkeit bewirken könnte. Wenn dem letzten Abnehmer im Dreiecksgeschäft eine Rechnung mit dem fehlenden Hinweis „Übergang der Steuerschuldnerschaft“ bereits zugegangen ist, ist die Voraussetzung des Art. 141 Buchst. e MwStSystRL nicht erfüllt, dass „e) der Empfänger der Lieferung im Sinne des Buchstaben d ist gemäß Artikel 197 als Schuldner der Steuer für die Lieferung bestimmt worden, die von dem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Steuer geschuldet wird.“

Das Dreiecksgeschäft gilt dann als missglückt und es treten die Rechtsfolgen eines „normalen“ Reihengeschäfts ein, nämlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb des mittleren Unternehmers in dem Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. er gegenüber seinem Lieferanten verwendet hat sowie zusätzlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Mitgliedstaat des Endes des Warentransports plus anschließende Inlandslieferung des Mittleren in diesem Mitgliedstaat mit eigener Steuerschuldnerschaft. 

Das EuGH-Urteil schließt nicht aus, dass in diesem Fall der mittlere Unternehmer seine Rechnung an den Letztabnehmer korrigiert bzw. die fehlende Angabe „Übergang der Steuerschuldnerschaft“ noch nachholt. Hierzu ist auch Rz. 43 der Schlussanträge der Generalanwältin beachtenswert. Sie führt aus: 

„Dies zeigt deutlich, dass diese Vereinfachungsmaßnahme zur Disposition des mittleren Unternehmens (hier der Klägerin) steht. Dieses Unternehmen kann die Vereinfachungen in Anspruch nehmen, muss es aber nicht. Über die Gestaltung der Rechnung an den eigenen Abnehmer kann es über die Inanspruchnahme der Vereinfachungsmaßnahme entscheiden. Mithin wird dem betreffenden Unternehmen in der Mitte ein Wahlrecht eingeräumt.“

Somit hat der Mittlere in einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft die Wahl, über die entsprechende Rechnungserteilung an den letzten Abnehmer in die Vorzüge der Vereinfachungsregelung des Dreiecksgeschäfts zu kommen. Hat er dem letzten Abnehmer keine entsprechende (vollständige) Rechnung erteilt, hätte er von diesem Wahlrecht somit keinen Gebrauch gemacht. Fraglich ist - und das ist der eigentliche Punkt, wenn von einer „ex nunc“-Rechnungsberichtigungsmöglichkeit die Rede ist -, ob der mittlere Unternehmer dennoch nachträglich von seinem Wahlrecht Gebrauch machen könnte, indem er dem letzten Abnehmer (nachträglich) eine entsprechende vollständige Rechnung erteilt. Dies erscheint einerseits fraglich, weil eine entsprechende vollständige Rechnung nach der EuGH-Entscheidung C-247/21, Luxury Trust Automobil, materielle Voraussetzung für das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts ist. Wenn der Umsatz an den letzten Abnehmer im Dreiecksgeschäft bereits (endgültig) mit einer unvollständigen Rechnung abgerechnet worden ist, kann nach dem EuGH-Urteil das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts bzw. dessen Rechtsfolgen nicht rückwirkend aufleben. Siehe hierzu auch Rz. 51 der Schlussanträge.

Dennoch erscheint eine Heilung des missglückten Reihengeschäfts durch eine nachträglich korrekte Rechnungserteilung an den letzten Abnehmer angesichts der besonderen Umstände des EuGH-Urteils möglich. Dem Kläger in diesem Verfahren war es unmöglich, seine nunmehr korrekte Rechnung dem letzten Abnehmer zuzustellen, weil dieser ein sog. missing trader war. Gelingt dies aber in der Praxis und handelt es sich bei dem Abnehmer nicht um einen missing trader, sollte eine entsprechende Rechnungskorrektur, die dem letzten Abnehmer dann aber auch zukommen muss, möglich sein, vgl. auch Rz. 59 und 60 der Schlussanträge.

Es kann nicht angenommen werden, dass in dem Fall einer unvollständigen Rechnungserteilung, d.h. ohne Hinweis auf die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den letzten Abnehmer, der mittlere Unternehmer sein Wahlrecht auf Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte verwirkt haben könnte. So wie Rechnungskorrekturen für Zwecke des Vorsteuerabzugs möglich sind, muss es dem mittleren Unternehmer schon aus Gründen der Neutralität der Mehrwertsteuer und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft gestattet sein, Rechnungen zu korrigieren, wenn er erkennt, dass er einen Fehler in der Rechnungserteilung begangen hat. Der EuGH spricht in Rz. 61 seiner Entscheidung von der „erstmaligen Ausstellung der erforderlichen Rechnung“. Es findet sich kein Hinweis in dem EuGH-Urteil, dass einer solchen Rechnung keinerlei Wirkung mehr in Bezug auf die Rechtsfolgen beim innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft zukommen könnte. In dem EuGH-Verfahren konnte der mittlere Unternehmer auch mit einer Rechnungskorrektur die Wirkungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts nicht mehr retten, weil diese Rechnung nicht (mehr) an den letzten Abnehmer zugestellt werden konnte. Ist dies in der Praxis aber noch möglich, wäre davon auszugehen, dass die Rechtsfolgen des (zuvor) missglückten Reihengeschäfts wiederaufleben. Denn ein mittlerer Unternehmer, der zeitnah nach Bewirken seines Umsatzes (der ruhenden Lieferung) eine unvollständige Rechnung an den letzten Abnehmer ausgestellt hat (z.B. Umsatz am 1.12.01 und Rechnung am 15.12.01) und seinen Fehler z.B. binnen 3 Monaten erkennt (also am 15.3.02) und eine korrekte (berichtigte) Rechnung erteilt, kann nicht schlechter behandelt werden als ein anderer mittlerer Unternehmer, der seinem Abnehmer erst nach 3 Monaten nach Bewirken seines Umsatzes (Umsatz am 1.12.01) (erstmals) eine Rechnung erteilt (am 15.3.02), die zutreffend die Rechtsfolgen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts auslöst. Streng genommen käme dieser Unternehmer in der Zeit bis zur Ausstellung seiner Rechnung nicht in den Genuss der Vereinfachungsregelung (im Besteuerungszeitraum 01 lägen die Voraussetzungen nicht vor, sondern erst im Besteuerungszeitraum 02). Diese Folge kann aber bereits deshalb nicht eintreten, weil die MwStSystRL anderes als für innergemeinschaftliche Lieferungen und sonstige Leistungen, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen (Art 222 Abs. 1 MwStSystRL), für die ruhende Lieferung im innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft an den letzten Abnehmer keine zwingende Frist zur Rechnungserteilung regelt. Lediglich nach Art. 222 Abs. 2 MwStSystRL könnte (Option) ein Mitgliedstaat eine Rechnungserteilungsfrist für die ruhende Lieferung im innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft an den letzten Abnehmer regeln. Hiervon macht Deutschland keinen Gebrauch.

Grafik I

Grafik II

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