Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 17.12.2021 zur Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG für digitale Medien
Praxisproblem
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG unterliegt die Überlassung der in Nr. 49 Buchstabe a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 des UStG bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form dem ermäßigten Steuersatz. Ebenso unterliegt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 3 UStG die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, dem ermäßigten Steuersatz. Bei beiden Formen der hier begünstigten Leistungen handelt es sich um sonstige Leistungen (unionsrechtlich Dienstleistungen), nicht um Lieferungen. Denn die elektronische Überlassungsform eines Printmediums als körperlicher Gegenstand kann selbst kein körperlicher Gegenstand und damit kein Liefergegenstand sein. Beide nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG begünstigte Formen der sonstigen Leistung stellen auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen dar, deren Ort sich nach § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG bestimmt, wenn der Leistungsempfänger (Kunde) kein Unternehmer ist, ansonsten (bei B2B-Leistungen) nach § 3a Abs. 2 UStG.
Sachverhalt
Gemäß § 12 Abs.2 Nr. 14 S. 1 UStG greift für die Überlassung der in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 des UStG bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form der ermäßigte Steuersatz von 7 %. Die Steuersatzermäßigung gilt unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Datenträger angeboten wird. Auf die Art und Funktionalitäten bei der Bereitstellung kommt es nicht an, sondern nur auf die begünstigten Inhalte. Die Bereitstellung der begünstigten Inhalte kann für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gleichberechtigt in Printform, auf physischen Datenträgern oder in rein elektronischer Form erfolgen. Bisher unklar war insbesondere der Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 S. 3 UStG bei der Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten.
Entscheidung
Das BMF-Schreiben v. 17.12.2021 trifft klarstellende Regelungen sowohl zu § 12 Abs. 2 Nr. 14 S. 1 UStG zur Überlassung von Erzeugnissen in elektronischer Form als auch zu § 12 Abs. 2 Nr. 14 S. 3 UStG bei der Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken.
Praxishinweise
Auf folgende Regelungen des BMF-Schreibens sei besonders hingewiesen:
Überlassung elektronischer Erzeugnisse
Entscheidend bei der Überlassung der in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 des UStG bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form ist mit Blick auf Videoinhalte oder hörbare Musik, dass die digitalen Produkte in ihrer Funktion über die gedruckter Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften nicht deutlich hinausgehen. Die gesetzliche Grenze „vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen“ wird die Verwaltung aber dadurch nicht verschieben können. Die Durchsuchbarkeit, Filtermöglichkeit und Verlinkung innerhalb des digitalen Produkts schließen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht aus.
Begünstigt werden können danach Veröffentlichungen in elektronischer Form, wenn sie funktional herkömmlichen Büchern, Zeitungen, Zeitschriften oder sonstigen in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 des UStG bezeichneten Erzeugnissen entsprechen. Hierzu zählen insbesondere Veröffentlichungen
- ohne entsprechende Variante auf einem physischen Träger, wie z. B. reine Online-Publikationen,
- in der Form von Websites, Apps oder anderen Anwendungen, mit oder ohne Download-Möglichkeiten, auch als Einzelabruf aus einer Datenbank,
- mit fortlaufender Ergänzung neuer Einzelbeiträge und unter Einschluss des Zugangs zu Einzelbeiträgen aus solchen Veröffentlichungen oder
- in periodischer wie nichtperiodischer Erscheinungsform.
Darunter fallen insbesondere:
- Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke (ausgenommen solche, die überwiegend Werbung enthalten),
- Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend (ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten),
- Bilderalben, Bilderbücher und Zeichen- oder Malbücher, für Kinder,
- Noten, handgeschrieben oder gedruckt, auch mit Bildern, auch gebunden,
- kartografische Erzeugnisse aller Art, einschließlich Wandkarten, topografischer Pläne und Globen, gedruckt,
- Platten, Bänder, nicht flüchtige Halbleiterspeichervorrichtungen, „intelligente Karten (smart cards)“ und andere Tonträger oder ähnliche Aufzeichnungsträger, die ausschließlich die Tonaufzeichnung der Lesung eines Buches enthalten, mit Ausnahme der Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien bzw. Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des JuSchG bestehen; begünstigt sind somit auch Tonaufzeichnungen der Lesung eines Buches (sog. Hörbücher nach Nr. 50 der Anlage 2 des UStG), wenn sie auf elektronischem Wege überlassen werden. Vorher war die Begünstigung auf die Abgabe in Form eines Speichermediums beschränkt.
Die Steuerermäßigung gilt sowohl für die dauerhafte als auch für die zeitlich befristete Überlassung entsprechender Erzeugnisse.
Zugang zu einer Datenbank
Dem ermäßigten Steuersatz unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 3 UStG auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten. Die Bereitstellung kann in rein elektronischer Form (z.B. über einen Online-Zugang, u. ä.) oder mittels eines physischen Datenträgers (z.B. CD-Rom, DVD, USB-Stick, u. ä.) erfolgen.
Eine Datenbank im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 3 UStG ist eine Sammlung von Werken, Daten und anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln zugänglich sind. Erforderlich für die Begünstigung ist, dass die Datenbank eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthält und somit primär durch die Bereitstellung begünstigter Werke im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 1 UStG geprägt wird. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
Datenbanken, die überwiegend andere Elemente als elektronische Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, sind nicht begünstigt. Ob andere Elemente die nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 Satz 1 UStG begünstigten überwiegen, beurteilt sich sowohl quantitativ als auch qualitativ anhand der in der Datenbank enthaltenen Elemente. Die Durchsuchbarkeit, Filtermöglichkeit und Verlinkung innerhalb der Datenbank schließen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht aus.
Wichtig ist auch, dass der Zugang zur Datenbank insgesamt auch dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, wenn z.B. im Rahmen eines digitalen Office-Pakets ein Verlag neben Kommentaren, Gerichtsurteilen, Aufsätzen, Gesetzestexten und Verordnungen auch Formulare zum Ausfüllen oder Tools wie Steuer- oder auch Mindestlohnrechner sowie e- Trainings, Generatoren und Online-Live-Seminare anbietet und sowohl bei der Anzahl der in der Datenbank enthaltenen Dateien als auch bei den abgerufenen Inhalten die begünstigten Elemente (Kommentare, Gerichtsurteile, Aufsätze, Gesetzestexte, Verordnungen und Formulare) überwiegen.
Übergangsregelung
Das BMF-Schreiben v. 17.12.2021 enthält eine für die Praxis sinnvolle Übergangsregelung, die der Tatsache Rechnung trägt, dass das Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität und weiterer steuerlicher Vorschriften bereits am 18.12.2019 und damit sehr kurzfristig noch unterjährig 2019 in Kraft getreten war und die Unternehmen, die unter die Norm des § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG fallende Verlagserzeugnisse anbieten, vor zeitliche und organisatorische Herausforderungen bei der Anwendung eines nunmehr ermäßigten Steuersatzes gestellt wurden. Nach der Übergangsregelung müssen (Voraus-)Rechnungen mit einem ursprünglichen 19-prozentigen Steuerausweis auch dann nicht korrigiert werden, wenn die zu Grunde liegende elektronische sonstige Leistung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG nach dem 17.12.2019, aber vor dem 01.01.2022, erbracht wurde. Dem leistenden Unternehmer steht insoweit ein Wahlrecht zur Rechnungsberichtigung oder Aufrechthaltung der Fakturierung mit 19 % zu. Soweit weiter die zunächst ausgewiesene USt in Höhe von 19 % vom leistenden Unternehmer angemeldet und abgeführt wurde, ist unter den allgemeinen Voraussetzungen der Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 UStG ebenfalls ein Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen möglich, soweit die begünstigten elektronischen Leistungen gegenüber Unternehmen i. S. d § 2 UStG und zwischen dem 18.12. 2019 und dem 31.12.2022 erbracht wurden. Für Umsätze, für die der Leistungsempfänger die USt nach § 13b UStG schuldet, gilt dies entsprechend für die vom Leistungsempfänger berechnete Steuer.
Die zutreffende Einordnung ist mit der Änderung des UStAE durch BMF-Schreiben einfacher geworden und insbesondere bei den Datenbanken werden explizit Bestandteile wie Tools oder Online-Seminare als unschädlich für den ermäßigten Steuersatz eingeordnet. Weitere Konkretisierungen wären wünschenswert gewesen und sind – obwohl viele Beispiele aufgenommen wurden – nicht enthalten. Unternehmen sollten nun die Weichen richtig stellen, denn ein fehlerhafter Steuerausweis (sowohl zu hoch als auch zu niedrig) ist bei Leistenden und beim Leistungsempfänger mit erheblichen Korrekturaufwand verbunden und in einer Vielzahl der Fälle zu einer wirtschaftlichen Belastung führend, weil Endverbraucher Kunden sind.