EuGH-Vorlage zu rückwirkenden Bewilligungen
Hintergrund
Der genannte Beschluss geht auf einen langjährigen Fall zurück, in dem die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt die Bewilligung der aktiven Veredelung für aus der Volksrepublik China eingeführte Waren beantragt hatte.
Die Klägerin reichte einige der erforderlichen Unterlagen (z. B. Fragebögen) nicht rechtzeitig ein, meldete aber bis zum 18. Juli 2019 weiterhin aus China eingeführte Waren zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an und entrichtete Zollgebühren.
Am 12. April 2021 beantragte die Klägerin beim beklagten Hauptzollamt, ihr rückwirkend eine Bewilligung zur aktiven Veredelung für von ihr aus China eingeführte Waren zu erteilen. Sie verwies auf ihren Antrag vom 14. Dezember 2018 und die Besprechung vom 7. Februar 2019 und begründete den erneuten Antrag mit einer nachträglichen Beseitigung der wirtschaftlichen Nachteile, die ihr durch die Zahlung der Einfuhrabgaben entstanden seien.
Das beklagte Hauptzollamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Juli 2021 ab, weil die Klägerin den Fragebogen für zollrechtliche Bewilligungen noch nicht vorgelegt und die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht nachgewiesen hatte.
Der Kläger argumentierte dagegen, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung vorlägen und machte unter anderem geltend, dass die zeitliche Begrenzung der Rückwirkung einer Bewilligung durch Art. 172 UZK-DelVO nicht mit dem geltenden Unionsrecht vereinbar sei.
Nach Art. 172 Abs. 2 UZK-DelVO können die Zollbehörden in Ausnahmefällen zulassen, dass eine Bewilligung nach Art. 172 Abs. 1 UZK-DelVO frühestens ein Jahr vor dem Datum der Annahme des Antrags wirksam wird. In diesem Streitfall konnte jedoch eine der Antragstellerin rückwirkend erteilte Bewilligung nach Art. 172 Abs. 2 UZK-DelVO nicht mehr zum Erlöschen der Zollschuld führen, weil sie die aus China eingeführten Waren bis zum 18. Juli 2019 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet hatte.
Das FG Düsseldorf bezweifelt auch, dass Art. 172 Abs. 1 und 2 UZK-DelVO mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar ist. Zu beachten ist, dass Ermächtigungsnormen für den Erlass von Art. 172 Abs. 1 und 2 UZK-DelVO die Art. 24 Buchst. d und 212 Buchst. a UZK sein könnten. Es hätte jedoch hinreichend deutlich gemacht werden müssen, dass die Kommission insbesondere auch ermächtigt werden sollte, die Voraussetzungen für die rückwirkende Erteilung einer Bewilligung (Art. 211 Abs. 2 UZK) u.a. für das Verfahren der aktiven Veredelung nach Art. 211 Abs. 1 lit. a UZK im Einzelnen festzulegen. Es ist daher zweifelhaft, ob die Bestimmungen von Artikel 172 Absätze 1 und 2 UZK-DelVO in den durch den Basisrechtsakt vorgegebenen Rechtsrahmen passen. Das Europäische Parlament und der Rat haben (in Art. 211 Abs. 2 UZK) nicht geregelt, bis zu welchem Zeitpunkt die Zollbehörden rückwirkend eine Bewilligung erteilen können. Es ist daher zweifelhaft, ob die Kommission auf der Grundlage von Artikel 24 Buchstabe d und Artikel 212 Buchstabe a UZK befugt war, zu regeln, bis zu welchem Zeitpunkt die Zollbehörden rückwirkend eine Bewilligung für die Verfahren nach Artikel 211 Absatz 1 UZK erteilen können. Außerdem sieht Artikel 211 Absatz 2 UZK nicht vor, dass eine Bewilligung nur in Ausnahmefällen rückwirkend erteilt werden kann.
In seinem Urteil vom 9. Juli 2020 (C-391/19, ECLI:EU:C:2020:547 Rn. 30 ff.) hat der EuGH die Gültigkeit von Art. 172 Abs. 2 der UZK-DelVO nicht in Frage gestellt. Auch in seinem Urteil vom 21. Oktober 2021 (C-825/19, ECLI:EU:C:2021:869 Rn. 43 ff.) hat der EuGH die Wirksamkeit der allgemein geltenden Einjahresfrist in der Bestimmung des Art. 294 Abs. 3 ZK-DVO, die Art. 508 Abs. 3 ZK-DVO entspricht, nicht in Frage gestellt. Allerdings hatten die vorlegenden Gerichte dem EuGH in diesen beiden Vorabentscheidungsverfahren nur Auslegungsfragen, nicht aber Fragen der Gültigkeit vorgelegt. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Regelung des Zeitrahmens für die rückwirkende Erteilung einer Zulassung in Art. 172 Abs. 1 und 2 UZK-DelVO den Rechtfertigungsanforderungen für einen solchen Rechtsakt genügt.
Fazit
Im Interesse der Klarheit und Rechtssicherheit sind präzise und umfassende Definitionen in Bezug auf Artikel 172 Absätze 1 und 2 der UZK-DelVO erforderlich, da der Zeitrahmen für die rückwirkende Erteilung einer Bewilligung weitreichende Folgen für die Wirtschaftsbeteiligten und die Zollbehörden der Mitgliedstaaten hat. Die Wirtschaftsbeteiligten und Zollbehörden werden das EuGH-Urteil mit Spannung abwarten. Zwischenzeitlich vergleichbare Fälle sollten seitens der Wirtschaftsbeteiligten bis zur Entscheidung offengehalten werden.